Fast wie in Italien

Straßenradweltmeisterschaft in Mendrisio/ Schweiz (Herbst 2009)

Ich mag die Italiener!

Ihre Sprache, ihre Kultur, ihre Lebensart. Ich finde auch nicht, dass sie zu laut sind oder gar zu viel reden, wenn sie in der Mehrzahl auftreten. Eine ganze Flugzeugladung voll dagegen… also entspannend würde ich das nicht bezeichnen.

Ich sitze mitten unter ihnen im Flieger nach Bergamo. Ankunft irgendwann kurz vor Mitternacht. Da werde ich mir wohl ein Taxi ins Hostel nehmen müssen.

Aber dann geht das Auschecken ganz schnell, wohl auch deshalb, weil alle Italiener ihre Koffer als Handgepäck deklariert haben und deshalb kaum Gedränge am Band in der Gepäckhalle herrscht. Ich erwische also noch den letzten Shuttle nach Bergamo. Der fährt bis zur Puorta Nuova. Von dort müsste ich mit dem Bus Nr.6 weiter, aber um diese Zeit, klärt mich der Busfahrer auf, fährt überhaupt kein Bus mehr. Ich irre also durch die Stadt, ohne Stadtplan und die geringste Idee, wo mein Hostel liegen könnte, auf der Suche nach Bewohnern, die mir Auskunft erteilen könnten. Etwas schwierig nachts um diese Zeit an einem Mittwoch. Ich würde ja auch ein Taxi nehmen…

Eine Frau mit Hund schickt mich schließlich zum falschen Hostel, gleich im Stadtzentrum. Dort gabelt mich ein Herr Mitte 40 auf, der mir erklärt, dass mein Hostel ganz weit weg am Stadtrand liegt. Und ich tue, was man nie tun sollte, ich springe nachts 1:00 Uhr zu einem fremden Mann ins Auto. Wenigstens kann ich die Sprache und könnte im Ernstfall angemessen um Hilfe rufen.

Taxis, so erklärt mir der Herr auf unserer 20minütigen Fahrt, gibt’s in Bergamo eigentlich nicht (das macht Mut für die Heimfahrt), der Fußballverein von Bergamo spielt 1. Liga und hat 5 Spiele hintereinander verloren – heute wahrscheinlich das 6.- lerne ich auch noch und im Übrigen ist alle Sorge unbegründet. Der Herr ist genauso wie ich die Italiener liebe- einfach nett, freundlich, hilfsbereit. Er setzt mich vorm Hostel ab und wünscht mir eine schöne Zeit. Ich lieg dann grad im Bett, als meine 3 Zimmergenossinnen kommen und eine nach der anderen duschen! Gefühlte 2:30 Uhr ist endlich Ruhe. Doch gegen 5:00 Uhr duscht die erste schon wieder! Mass man nicht verstehen. Ich gebe auf, pack meinen Rödel und mach mich auf den Weg zum Bahnhof.

Immerhin bin ich so recht früh in Mendrisio und habe Zeit für ein ausgiebiges Frühstück und eine kleine Ortsbesichtigung. Mendrisio, Austragungsort der Straßenradweltmeisterschaft von 2009, liegt nur 5 km von der Italienischen Grenze entfernt im Tessin. Der nächste bekannte Ort in der Schweiz ist Lugano, immerhin 18 km entfernt. Der Monte Generoso, zu dessen Gipfel von Capolago aus eine Zahnradbahn fährt, ist der bekannteste Berg. Er erstreckt sich zwischen Lugano und Chiasso vom Luganer zum Comer See und bildet eine natürliche Grenze zwischen Italien und der Schweiz. Mendrisio selbst bietet die für dies Gegend typische Altstadt mit engen Gassen und Treppen. Es ist ein kleiner Ort mit nur 12000 Einwohnern. Aber einer davon ist Michael Albasini, und der nimmt auch an der WM teil. Muss was ganz besonderes sein, in seinem Heimatort an einer WM teilzunehmen.

Naja, ich begebe mich zum Start und versuche eine photo-optimale Position einzunehmen. Das ist etwas schwierig, weil die Warm-Up-Zone durch einen hohen Zaun geschützt ist. Da stelle ich mich lieber etwas weiter weg, aber erhöht, gleich neben den Camper der Russen, und versuche zwischen Begleitfahrzeugen und all diesen Leuten mit dem richtigen Schlüsselband um den Hals hindurch zu fotografieren. Die Fahrer sind in Startblöcke unterteilt und zwischen jedem Startblock gibt es eine Pause von ca 30 min. Genau kann ich das nicht sagen, weil ich habe keine Startliste. Die versuche ich mir zwar im Village zu besorgen, aber die sind schon in der ersten Pause vergriffen. Strolche ich stattdessen durch das Fahrerlager.

Es gibt ein großes Zelt, wo die Fahrer sich einrollen können, aber die meisten haben ihre Rollen neben dem Teamfahrzeug aufgestellt. Die Russen verrücken einfach ihren Camper um 10 cm oder so und bauen ihre Rolle zwischen zwei Autos auf. Bei den Deutschen ist Herr Zabel zu Besuch, auch Jens Heppner steht etwas verloren neben dem Teambus, denn im Gegensatz zu seinem ehemaligen Telekomkollegen erkennt und fotografiert ihn niemand. Ich tu’s auch nicht.

Bei den Schweizern herrscht Gedränge wie zu Bettini-Zeiten bei den Italienern. An der Warm-Up- Zone dagegen geht es entspannt zu, bis zum letzten Startblock. Es ist ja unglaublich, wieviele Menschen so ein richtiges Schlüsselbändchen haben und mir vor der Linse rumhüpfen. Als der letzte Fahrer – Bert Grabsch –  gestartet ist, wühle ich mich durch’s Village an die Strecke. Fabian Cancellara gewinnt, fein, so haben die Gastgeber ihren Weltmeister, im Einzelzeitfahren. Es finde es immer nett, wenn die Gastgeber von Meisterschaften nicht ganz leer ausgehen.

Ich mach mich auf den Weg nach Lugano… mit ungefähr 82hundert Norwegern. Die Kurt-Asle Arvesen Fans von Varese haben Verstärkung durch die Edward Boasson Hagen Fans bekommen. Und da glauben gewisse User in einem gewissen Forum, das wären Thor Hushovd Supporter…

In Lugano habe ich etwas Mühe, Maria Theresas Haus zu finden bzw. die Straße, in der sie wohnt. Meine Italienisch-Kenntnisse erweisen sich bei der Wegsuche als Vorteil, denn auch wenn die Schweizer alle drei Sprachen plus Englisch in der Schule lernen, kann doch nicht jeder Luganese ausreichend Deutsch. (Das soll keine Kritik sein! Ich frag mich nur, wie die sprachfaulen von meinen Landsleuten reagieren würden, wenn sie in der Schweiz auf Schweizer träfen, die kein oder nur ungenügend Deutsch sprächen. Das fänden sie wahrscheinlich genau so unverschämt wie einen Holländer in den Nierderlanden, der kein Deutsch mit ihnen spricht. … Sie wären zumindest verwirrt.) Na wie dem auch sei, Maria wohnt gar nicht so weit vom Bahnhof weg. Und von ihrem Garten aus hat man einen herrlichen Blick zum See, der Altstadt und dem Monte Bré.

Am Freitag schlafe ich aus, warte bis der Regen aufhört und wandere dann am See entlang, Richtung Kunstmuseum. Da begegnen mir eine Menge Leute, die ihren freien Tag damit verbringen, Rennrad zu fahren, den Berg rauf! Na da mach ich lieber Kultur. Am Abend schlendere ich dann durch die Altstadt.

So dermaßen erholt gehe ich den nächsten Tag an. Immerhin gibt es heute zwei Rennen, das ist auch für Zuschauer und Möchtegernfotografen anstrengend. In Mendrisio gibt es wider Erwarten keine Startlisten gleich am Bahnhof. Also wackle ich zum Village. Aber dort erfahre ich, exakt drei Minuten vor dem Start zum Straßenrennen der Damen, dass die Listen NOCH nicht da sind, weil sie NOCH gedruckt werden. Ja, leckt mich doch! Ich hätte mir ja welche aus dem Netz gezogen, aber Maria’s PC ist kaputt. Ja und wer rechnet denn damit, dass es so schwer ist, ne Startliste zu kriegen. Selbst in den Zeitungen sind keine, jedenfalls nicht in denen, die ich gekauft habe.

Ich nutze das Damenrennen, um mich vom Start bis zur Steigung am Castello San Pietro vorzuarbeiten und an verschiedenen Stellen zu fotografieren. Morgen, beim Rennen der Elite, werde ich nicht mehr soviel Bewegungsfreiheit haben und muss wissen, wo der optimalste Platz ist. Es fängt mal an zu nieseln, aber nachmittags, beim U23 Rennen scheint die Sonne und ich kann testen, wo ich die besten Lichtverhältnisse habe… jedenfalls nachmittags. Zwischen den Rennen suche ich ein lokales Café gleich gegenüber der Holländerkurve auf. Da gibt es zwar ne Menge zu sehen, laute Musik einschließlich Blaskapelle und sogar ne große Leinwand, aber auf Dauer verkrafte ich das nicht. Außerdem verstehe ich so gar kein niederländisch und damit nicht den recht redseeligen Fernsehkommentatoren,  dass ich denke, hier bin ich über den Rennverlauf auch nicht besser informiert als an der Strecke, wo ich lieber dem Italienischen und Französischen Streckenfunk lausche. Zumal ich ja keine Startliste habe.

Die Stimmung an der Strecke ist ungefähr genauso entspannt wie in Italien. Macht richtig Spaß. Nur warum die UCI die Damen so in aller Herrgottsfrühe auf die Strecke schickt, ist mir ein Rätsel. Da sind wirklich nur Fans an der Strecke, ausschließlich natürlich der Noweger, aber die werden ja immer erst mittags wach. So wird die Italienerin Tatiana Guderzo von den Einheimischen fast unbemerkt Weltmeisterin. Schade, dass die Damen immer noch hinter den U23 Fahrern kommen. Bei denen ist nachmittags dann schon mehr los, weil sich eine ganze Menge Familien unters Publikum mischen.

Das ist natürlich nicht zu vergleichen mit Sonntag. Maria, die eigentlich mitkommen wollte, steht extra zeitig mit mir auf, beschließt aber nach der gestrigen Party doch lieber weiter zu schlafen. Ich bin so gegen 9:00 Uhr in Mendrisio, nehme ein zweites Frühstück gegenüber der Holländerkurve, begrüße ein paar neue Bekannte und mache mich auf den Weg zu meinem gestern auserkorenen Photopoint. Unterwegs läd mich noch ein anderer Kneiper, der gestern kein Fleisch mehr für mich hatte, zum Abendessen ein. Rennt mir extra hinterher, um mir zu versichern, dass er mir ein Steak aufhebt. Jetzt hab ich auch noch Verpflichtungen…

Trotzdem es im Laufe des Tages recht voll und eng wird, bleibt die Athmosphäre bis zum Schluss entspannt. Ganz anders als in Frankreich oder gar in Deutschland. Das Radrennen in Italien schöner sind als sonstwo auf der Welt, erwähnte ich ja schon letztes Jahr anlässlich der WM in Varese. Und da Mendrisio  in der Italiensichen Schweiz liegt, ist das alles irgenwie nicht verwunderlich. Aber die Züri-Metzgede, mein Lieblingsweltcuprennen, wenn ich diesen alten Begriff mal verwenden darf, ist ja auch in der Schweiz, wenn auch in Zürich.  Und die Athmosphäre genauso entspannt. Passt also alles und ich sollte vielleicht mal die Schweiz-Rundfahrt ausprobieren.

Diesmal habe ich sogar eine Startliste! Ganz normale Computerausdrucke, die findige Einheimische am Bahnhof verkauft haben. So werde ich im Nachhinein nicht soviel Mühe haben, rauszufinden, wen ich eigentlich fotografiert habe. Denn wer erkennt schon alle Radfahrer einfach so an Gesicht und Haltung. Das schaffen nicht mal Migels und Jentschi zusammen.

Trotz einer frühen Ausreisergruppe ist das Rennen ziemlich spannend. Irgendwie scheint nicht so gebummelt zu werden wie letztes Jahr. Die Italiener, allen voran Marzio Bruseghin und Michele Scarponi, die Australier, die Belgier und die Holländer scheinen mir die aktivsten Fahrer im Hauptfeld zu sein. Die Deutschen sind zwar durch Greipel lange in der Ausreißergruppe vertreten, als die aber eingeholt ist und es zur Sache geht, ist von den Deutschen nicht mehr viel zu sehen. Die Franzosen zeigen sich auch mal. Winokurow, der beim EZF noch ausgebuht wurde, wird heute bei seinem Angriff ordentlich angefeuert und als Cancellara, von dem sich alle Schweizer einen Doppelerfolg erhoffen, eine Panne hat, macht sich schiere Verzweifelung breit. Im Nachinein sehe ich auf den Fotos, dass auch die Russen recht aktiv waren. Aber in echt verwechselt man, oder ich, die rein trikottechnisch einfach zu sehr mit den Italienern. Zwischendurch sackt so ein aufblasbares Werbebanner in sich zusammen: Besenwagen und Notarzt sind kurzzeitig außer Gefecht gesetzt. Der Französische und der Italienische Streckensprecher überschlagen sich, als Cancellara nach seiner Panne Jagd auf das Hauptfeld macht und lassen dem Engländer keine Sekunde mehr für seine ohnehin schon kurz gehaltenen Zusammenfassungen.

Und dann wird Cadel Evans Weltmeister! Und irgendwie sind alle zufrieden, auch die zahlreich angereisten Italiener.

Ich hole mir mein Abendessen ab und mache mich auf den Weg nach Bergamo. In Chiasso, wo man aus dem Schweizer Zug aussteigen und rüber auf die Italienische Seite laufen muss, sind ein paar Japaner verwirrt, weil niemand ihre Pässe sehen will. Bis Monza sitze ich dann mir zwei so anstrengenden Landsleuten in einem Abteil, dass ich einerseits hoffe, dass sie sonst niemand versteht ( wäre echt peinlich) und andrerseits froh bin, als ich endlich umsteigen kann.

Diesmal fahren die Busse noch und ich erreiche wohlbehalten mein Hostel. Und mit dem Taxi geht es am Montag in aller Herrgottsfrühe zum Flughafen. Sind ja nur 7 km.

Weil die Italiener wieder alle ihre Koffer als Handgepäck deklariert haben, sind die Gepäckfächer schnell überfüllt und ich muss meinen Tagesrucksack unter den Sitz nehmen. Das verstimmt mich kurzzeitig. Aber weil sich der Abflug wegen einer defekten Tür verzögert, erlebe ich dann den Sonnenaufgang direkt über den Alpen. Und weil die Italiener mit ihren Rollkoffern im Handgepäck nicht so schnell sind, war ich eine der ersten an Bord und habe einen Fensterplatz! Und weil die Gepäckfächer voll sind mit den Rollkoffern der Italiener und ich meinen Rucksack deshalb unter meinen Sitz habe, komme ich an die Kamera und kann ein paar geile Fotos machen. So bin ich wieder zufrieden. Ich sagte es ja:

Ich mag die Italiener!

Ein paar Fotos vom Rande der Strecken

Radrennen sind schön – Radrennen in Italien sind schöner

Straßenradweltmeisterschaft 2008 in Varese

2008 scheint das Jahr der Rückbesinnung zu sein. Nachdem wir im Januar nach fast vierjähriger Abstinenz  endlich wieder bei einem Wettkampf der Nordischen Kombination gewesen sind, reaktivierten wir im September gleich auch noch unsere Liebe zum Radsport, zum Liveerlebniss Radsport. Ok, wir waren natürlich immer mal auf der Radrennbahn in Leipzig bei diversen Steherrennen, natürlich sind wir auch selbst Rad gefahren. Aber ein Straßenrennen live miterleben? Das ist tatsächlich auch schon über vier Jahre her! Dabei hatten wir gar keine Lust. Alle Fahrer, die wir kennen und mögen, sind nicht mehr dabei, an neue konnten wir uns kaum gewöhnen. Die Übertragungen im TV sind einfach zu anstrengend geworden. Die einen berichten mehr vom Doping als vom Rennen, die anderen vergessen über der Aufzählung dritter Plätze bei Kirmisrennen, dass sie eigentlich kommentieren sollten. Und es nervt tatsächlich, wenn nach jedem größeren Rennen der Sieger des Dopings überführt wird (außer natürlich im Land der Saubermänner, in Deutschland).

Naja, aber zwei  unserer Italienischen Freunde wohnen nun mal im Kreis Varese. Also, fahren wir. Oder fliegen. Auch wenn der Flieger zwei Stunden Verspätung hat. Unsere Freunde erwarten uns mit einem Nachtmahl und am Donnerstag Vormittag geht’s dann nach Varese.

Einzelzeitfahren der Herren. Heute ist der Eintritt ins Stadion noch frei und da ich nur das Zentrum von Varese kenne und ansonsten noch nicht die richtige Peilung für die Strecke habe, gehen wir da auch hin. Wir stehen direkt an der Warm Up Area. Ich weiß gar nicht, wieso wir Radsport in den letzten Jahren fast ein bisschen langweilig fanden? Das Fieber hat uns sofort wieder erfasst. Und wir kennen ja doch die meisten der Fahrer. Und einige mögen wir sogar besonders gern, wie David Millar, Wladimir Gusew oder Rubens Bertogliatti.

Neben der Warm Up Area ist eine Leinwand und daneben der Start. Wir verpassen also nichts. Als Levi Leipheimer als letzter die Startrampe verlässt, suchen wir uns einen guten Platz auf einer Tribüne so 50 m vorm Ziel. Da können wir die letzten 20 Fahrer noch ins Ziel kommen sehen und nachdem Bert Grabsch  diese Fabelzeit vorgelegt hat, wird es richtig spannend. Als er dann tatsächlich Weltmeister wird, hätte ich gern eine klitzekleine Deutschlandfahne gehabt. Ok, ist eigentlich nicht mein Ding. Aber war sonst kein Deutscher da, für den man sich hätte schämen müssen, dafür viele Franzosen, Belgier, Holländer und Italiener sowieso. Da wäre es doch schön gewesen zu zeigen: Hallo! Der Bert hat auch ein paar Fans!

Nach der Siegerehrung versuche ich Andrea F vom C4F-Forum zu erreichen. Aber sie ruft erst zurück, als wir schon auf dem Weg ins Stadtzentrum sind. Also treffen wir uns dort in einem Café und belästigen einen Kellner mit unseren Bestellungen.

Am Freitag laufen wir dann zur Via Montello. Dort wollen wir uns das Straßenrennen der U23 ansehen. Es ist wieder schön warm und sonnig und nachdem wir ein paar LEIPZIGER aus Ellis ehemaligem Verein getroffen haben, suchen wir uns ein schönes Plätzchen mit Dixie gegenüber (so ein Rennen dauert schließlich). WM Rennen haben den Vorteil, dass ein Rundkurs gefahren wird und das Feld also mehrmals vorbeikommt, in diesem Fall 10 mal. Und es ist von Anfang an spannend, weil die Deutschen schon in der ersten Spitzengruppe vertreten sind. Elli feuert Dominik Nerz ganz besonders an, ist etwas verwirrt, als der sich nach ihr umdreht… ach Kinder. Im Übrigen haben wir viel Spaß mit den anderen Zuschauern, allesamt Italiener. Wir kriegen dann sogar noch eine Einladung zu einer Party… Aber heute müssen wir gleich nach dem Rennen zu unseren Freunden. Schließlich wäre es unhöflich, dort einfach nur zu schlafen… wenigstens einen Abend sollten wir gemeinsam verbringen.

Am Samstag, zum Straßenrennen der Damen, fragen wir uns zu den Ronchi durch. Dafür haben wir extra Tickets gekauft. Wir stehen gleich ausgangs der ersten Serpentine und wow, das Damenrennen ist noch spannender als gestern die U23. Schade nur, dass die Taktik der Deutschen voll auf die Arndt ausgerichtet zu sein scheint. So fährt Trixi Worrack die Verfolger mit Arndt an die Ausreißer mit Becker und Keller ran. Die sehen zu dem Zeitpunkt noch richtig gut aus. Schade!

Nach dem Rennen laufen wir die Ronchi in beide Richtungen ab. Morgen wollen wir den besten Platz haben.

Wir nehmen den ersten Zug. Der ist heute kostenlos (die Zugpreise waren von Tag zu Tag gesunken) und voll. In Varese ist auch schon mächtig was los. Trotzdem erleben wir in den Ronchi einen entspannten Tag. Wir sind eben in Italien, die Fans weitgehend gelassen und „un“agressiv. Im Übrigen achten unsere Nachbarn peinlichst darauf, dass wir gut fotografieren können und irgendwann holt sogar einer ne Deutschlandfahne raus und platziert sie bei uns grins. Das Rennen ist tödlich langweilig. Zum Glück ist es heute wirklich voll und Fans angucken macht auch Spaß. Die Mitglieder des Arvesen-Fanclubs, die gestern heftig gefeiert haben ( inklusive Bad im Springbrunnen) trudeln erst gegen Mittag ein, okkupieren sofort einen der Bierstände und feiern weiter. Sie feiern auch noch, als Arvesen das Rennen längst aufgegeben hat. Viel Unterhaltung bietet der Ivan Basso Fanclub gegenüber. Das ganze Haus inklusive Garten ist dekoriert und beflaggt. Kurz vorm Rennen werden dann die älteren gehbehinderten Mitglieder auf Campingstühlen in Position gebracht, während die Jüngeren immer mal die Deko auf der angrenzenden Wiese kontrollieren. (Basso ist übrigens nicht im Rennen).

Skandinavier tragen gerne Hörner, es gibt einen Saxophonspieler wie beim Rugby und der Kameramann liest in den Pausen. Italiener, Franzosen und Belgier versuchen sich in der Größe ihrer Flaggen zu übertreffen. Es sind erstaunlich viele Südafrikaner da…

Am Ende gewinnt ein Italinier , Alessandro Ballan, das Rennen. Wir sind glücklich, dass es nicht Bettini ist und freuen uns mit den Gastgebern, die sich ihren Weltmeister wirklich verdient haben.

Fotos, nicht von den Radrennen

Weltcup inTschechien

Biathlon Weltcup Nove Mesto 2012

Weltcup in Klingental

18. Februar 2012 in Klingenthal

Halb Sechs klingelt der Wecker. An einem Samstag!

2 Stunden später sitzen wir im Zug nach Klingenthal und versuchen den verlorenen Schlaf nachzuholen. Was ein bisschen schwierig ist, weil der Zug nach Klingenthal, das ist eher so eine Art komfortabler Straßenbahn. Komfortabel wegen der Toiletten. Nicht wegen der Sitze.

Der Schaffner verteilt Werbegeschenke der Bahn, dann kommt noch jemand vom Erholungspark Schöneck und bringt  Loipenkarten und gute Tipps unters Volk. Wir werden sofort misstrauisch. Steht ein Bahnstreik bevor? Fallen alle Zurückzüge aus? Die Bahn wird doch nicht grundlos freundlich sein? Scheinbar doch.

Wir kommen jedenfalls pünktlich in Klingenthal an und besteigen den Skibus Richtung Voigtland Arena, wo schon fleißig gesprungen wird. Nach einem folgenlosen Trainingssturz von Tino Edelmann und einem folgenschweren von Alessandro Pittin (der Italiener musste am Freitag notoperiert werden und heute eine 2. Mal unters Messer) am Freitag, hatte man die Springen abgesagt und alle auf den heutigen Samstag gelegt.

Als wir das Stadion erreichen, ist der provisorische Sprung gerade absolviert und wir suchen uns auf der gut gefüllten, aber nicht überfüllten  Zuschauertribünen ein paar fototechnisch günstige Plätze.

Trotz einiger Verzögerungen wegen des Windes und das zwei drei Athleten immer mal wieder vom Balken mussten, gestaltet sich der Wertungssprunglauf zügig. Verwirrt sind wir alle, als Tino Edelmann die Schanze ganz verlässt. Wie sich herausstellt, ist er disqualifiziert wurden, weil er den Sprungkorridor nicht genutzt hat. Na das ist vielleicht doof.

Bis zum Lauf gibt es eine zweistündige Pause, die wir nutzen, um nach langem Anstehen bei einer völlig überforderten älteren Dame, zwei Beefsteak statt Roster, die angeblich alle sind, eine Knacker und Gulasch zu kaufen. Die Beefsteaks und der Gulasch sind lauwarm, Roster sehen wir beim Senf holen auf der Wärmeplatte liegen… Der Bäcker der Quarkbällchen und der Verkäufer sind fitter, so schmeckt das Dessert gut und ist auch heiß.

Wir suchen uns einen schönen Platz an der Strecke. Das große Kind und der Freund stapfen dazu weit durch den Wald. Das kleine Kind und ich bleiben in einer Kurve am ersten Aufstieg, da kommen die Skiläufer direkt auf uns zu bzw. sehen wir sie die Abfahrt meistern. Unglaublich, wie viel Speed die drauf haben, so bergab. Und dann müssen sie auch noch um die Kurve. Wäre ja nett, wenn einer in den Bach fahren würde, oder in die Pressefotografen. Natürlich ohne sich was zu tun oder seine Position einzubüßen. Nur so als Einlage.

Passiert natürlich nicht.

Die Siegerehrung verpassen wir, weil der Weg zurück  zum Stadion doch etwas weit ist und wir nicht während des Rennen die Strecke verlassen wollten. Das war vom Veranstalter echt schlecht organisiert. Entweder man lässt die Zuschauer nach dem Ende des Rennens direkt und ohne Umweg über die Straße ins Stadion, oder man wartet eben mit der Zeremonie, bis alle zurück sind.

Naja, war trotzdem schön. Und das Wetter optimal. Grad so, dass man nicht unnötig friert, als Zuschauer.

Das Fotoalbum

Biathlonweltcup 2012

Nove Mesto/ Tschechien 11.- 15. Januar 2012

Nachdem ich ein paar Jahre den Weltcup gemieden und stattdessen zum IBU-Cup gefahren bin, wollte ich mich in dieser Saison doch mal wieder ins Getümmel stürzen. Dabei ist Getümmel nicht all zu wörtlich zu nehmen. Gerade das hatte mich ja aus dem Weltcup vertrieben. Ich hatte mir Frankreich ausgesucht – aber der wurde wegen Schneemangel nach Hochfilzen verlegt. Also kam ich auf Tschechien. Aus Gründen hatte ich die Unterkunft diesmal nicht privat, sondern über einen Reiseanbieter gebucht. Mit im Paket war auch gleich die Dauerkarte für den Weltcup.

Zunächst aber ging es am Dienstag erstmal mit dem Zug nach Brno, wo ich bei einem kleinen Nachtspaziergang zu der Erkenntnis kam, dass sich in dieser Stadt durchaus auch mal ein Kurzurlaub lohnen würde. Bedenklich stimmten mich die Temperaturen, doch am nächsten Morgen, als ich mit dem Zug weiter Richtung Nove Mesto fuhr, besserte sich das Bild. D.h., nachdem ich in Tisov fast in den falschen Zug gehopst wäre, ging es doch hinauf und hinein in den Schnee.

Nachdem mich Mike vom Bahnhof abgeholt und ich in der Pension die anderen Mitreisenden kennengelernt hatte, ging es am Mittwoch per Kleinbus „hinunter“ nach Nove Mesto ins Biathlonareal. Die haben da, wegen der im nächsten Jahr dort stattfindenden WM schön neu gebaut. Die Tribünen sehen von hinten aus wie gigantische Betonmonster, eignen sich aber neben ihrer eigentlichen Bestimmung hervorragend als Unterschlupf für die Versorgungsmeile. Und die war vom feinsten. Da wurden an sicher drei Dutzend Ständen regionale Köstlichkeiten angeboten. Nix mit Bratwurst, Steak oder Pommes Frites. Dafür Schwein am Spieß, Schaschlik, Reibekuchen, diverse Würste, Gulasch, Fisch vom Grill, Fleisch vom Grill, und sogar ein Räucherofen stand da. Dazu das unschlagbar leckere Tschechische Bier, sowie ein ganz hervorragender Punsch. Schnaps gabs auch und Glühwein, und natürlich auch Kaffe und Tee.

Während meine Mireisenden sich nach dem ersten kulinarischen Hochgenuss auf die Tribüne verkrümelten, suchte ich mir ein schönes Plätzchen an der Strecke. Damen Einzel. Wo kann man besser jede, aber auch jede Athletin in Ruhe fotografieren? Als ich so knapp 400 Bilder hatte, bin ich auf die Tribüne gegangen. Noch war ja alles entspannt und ich konnte beliebig hin und her rennen. Mike hatte für seine Kunden wirklich super Karten besorgt, aber – ich bin ein Streckenschwein. Im Stadion passiert mir einfach zu viel. Von rechts sieht man die Athleten einfahren, dann geht es links über eine Brücke zum Schießstand. Obwohl der gut zu sehen ist, bin ich hoffnungslos überfordert. Wer schießt wohin? Oh! Da kommt ja die Domratschewa! Äh, wie? Wer? Hat jetzt die Neuner getroffen? Nein, da schaue ich lieber auf die Anzeigetafel oder die Livebilder auf den Videoleinwänden.

Das Festzelt zu erreichen, ist etwas schwierig. Man muss ganz aus dem Stadion raus und ein halbes Mal rund herum… Kein Wunder, dass da niemand, wirklich NIEMAND, ist, als wir nach dem Rennen mal reinschauen. Ich mach schnell noch ein Foto, bevor auch der DJ einsieht, dass das alles irgendwie sinnlos ist und einpackt. Wann habe ich zuletzt ein leeres Festzelt gesehen? Habe ich sowas überhaupt schon mal gesehen?

Am Donnerstag, so gegen Mittag, wir warten drauf, dass uns Martin wieder ins Areal fährt, kommt Bewegung in die gemütliche Pension. Erst reisen die Olsberger Biathlonfreunde an, eine vielleicht 12 Mann starke Herrentruppe, die wie eine Invasion über uns herein fällt und fröhlich ihre Zimmer bezieht. Dann kommen noch ein paar Kunden von Mike, ca ein halbes Dutzend Freunde irgendwo aus dem Osten. Das ist alles fast so aufregend wie das Rennen, zu dem wir wollen.

Einzel Herren. Sogar Zdenek Vitek ist dabei. Wusste ich doch, dass es sich lohnt, her zu fahren. Er wird von den Tschechen gefeiert wie ein Sieger. Tatsächlich gewinnt der Makowejew vor Svendsen und dem alten Haudegen Björn Ferry.

Obwohl das Festzelt gestern leer war, probieren wir es heute wieder. Ausser uns, wir sind inzwischen immerhin so 15 Leute, und ein paar Russen ist niemand dort. Dann verpassen wir fast, zur Siegerehrung ins Stadtzentrum zu fahren. Mike dreht sich und organisert und macht… am Ende kriegt er alle seine Kunden pünktlich runter.

Auf dem gut gefüllten Platz im Stadtzentrum spielt eine wirklich gute Tschechische Band und die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Als die gehen, gehen auch die Kreischis und ich stehe sofort vorn an der Bühne, Kamera im Anschlag.

Nach den Siegerehrungen für die Rennen gestern und heute gibt es ein phantastisches Feuerwerk.

In der Pension hat sich die Herrenrunde inzwischen eingesungen. Jemand, schon ziemlich angetütelt, gibt mir sein Handy zur Aufbewahrung. Mir ist es ein bisschen zu laut und ich verziehe mich in mein Zimmer.

Am Freitag steht der Sprint der Frauen an. Ein böiger Wind pfeift durchs Biathlonstadion und zu allem Überdruß fängt es auch noch an zu schneien. Heute sind gute Schützinnen gefragt. Folgerichtig gewinnt die einzige Nullschützin des Tages, die Russin Olga Saitsewa. Ich versuche, an der Strecke zu fotografieren und gleichzeitig die Kamera einigermaßen vor den Schneemassen zu schützen. Als alle Athletinnen mindestens einmal an mir vorbei sind, verziehe ich mich auf die Tribüne. Aber nicht auf die A direkt an der Ziellinie, die ist mir viel zu voll. Ich nehme die links, da kann ich nicht nur den Durchlauf, das Ziel und die Schießstände gut sehen, sondern auch die Biathleten beim Umziehen und bei diversen Interviews beobachten. Oder ich könnte. Es schneit nämlich mittlerweile so heftig, dass man gar nichts mehr sieht. Es ist mir ein Rätsel, wie die da vorn die Scheiben sehen.

Intelligenterweise verzichten wir heute auf’s Festzelt und fahren mit Mike sofort nach der flower ceremony zur Pension. Das Schneetreiben ist so heftig, dass wir einmal anhalten müssen, weil es um uns rum nur weiß ist und die Straße nicht mehr zu erkennen. Durch Schneeverwehungen lavriert Mike uns aber sicher zum Ziel. Und das an einem Freitag, dem 13.

Wir warten immer noch auf Sonnenschein. Aber auch am Samstag fängt es pünktlich zum Sprint der Herren an zu schneien. Windig ist es auch, aber wenigstens nicht so böig. Vor dem Wettkampf aber fahren wir endlich noch mal in das Städtchen und machen ein bisschen Sightseeing. Mit dem Shuttlebus geht’s von da aus dann in die Skiarena. Hinter den Fressbuden beobachten wir einen Koch beim Pinkeln. Schürze zur Seite und ab geht’s. Uaah, nicht daran denken, wenn ich die nächste lokale Köstlichkeit teste.

Neben anderen Sportlern läuft uns Martin Fourcade über den Weg. Mit dem brauch ich ein Foto. Er zeigt sich ausdauernd, denn der, dem ich den Fotoapparat in die Hand drücke, kommt mit der Technik nicht zurecht. Dann kommt noch ein Auto… Aber der kleine Franzose wartet bis alle passt. Merci!

Andrea Henkel hat es etwas eiliger, aber Zeit für ein Gruppenfoto. Karsten wird sich nach dem Rennen ins Skihotel setzen und warten, bis „seine“ Magdalena Neuner endlich kommt. Abends ist er dann seelig, mit seinen Fotos und dem Autogramm.

Heute sind über 13000 Zuschauer im Stadion, darunter neben den Deutschen viele Russen und Norweger. Aber auch die Einheimischen nehmen den Weltcup gut an und strömen wieder zuhauf ins Stadion. Die Stimmung ist ausgezeichnet, das Publikum ausgesprochen fair und auch an der Strecke stehe ich schon lange nicht mehr allein.

Ich warte wieder bis auch der letzte Starter, Zdenek Vitek, an mir vorbei ist und platziere mich wieder auf meine Lieblingstribüne. Es gewinnt ein Russe. Aber der Amerikaner Russell Courier geht als Zweiter vom letzten Schießen weg und wird frenetisch angefeuert. Am Ende ist er Sechster und, neben Vitek, der Liebling der Zuschauer. Simon und Martin Fourcade werden Zweiter und Dritter. Zwei Brüder! Die liefern die schönsten Bilder des Tages.

Am Abend gibt es wieder die Siegerehrungen für die letzten zwei Rennen auf dem Marktplatz in Nove Mesto. Wieder spielt vorher eine Band. Wieder ist der Platz voll. Nur diesmal gehen die Kreischis nicht mit der Band, weil nämlich gar nicht so viele vorn stehen. Stattdessen habe ich eine Französische und ein paar Russenfahnen vor der Nase.

Die Sängerknaben der Pension sind heute müde oder unvollständig. Jedenfalls ist es heute fast ruhig im Gastraum der Pension. Es wird ein angenehmer Abend mit guten Gesprächen, Bier, Fototausch und einem glücklichen Magdalena-Neuner-Fan.

Sonntag. Zwei Rennen. 18000 Zuschauer. Glücklicherweise esse ich schon vor dem Start der Damen, denn in der Pause quillt die Fressmeile über von Menschen.

Natürlich schneit es wieder. Ich stehe für den ersten Durchlauf an der Strecke, dann rase ich zur Tribüne. Langsam lerne ich auch, zu verstehen, was so im Stadion passiert. Als Magdalena Neuner allerdings nach scheinbar einem Schuß das Gewehr schuldert und abdampft, bin ich verwirrt. Crossfeuer! Sie hat auf Tora Bergers Scheiben gezielt, vier mal getroffen, dann, bei einem Klemmer ihren Fehler bemerkt, den letzten Schuss auf die richtigen Scheiben abgegeben. 5x getroffen und doch 4 Strafrunden! Das ist bitter. Berger dagegen ist verwirrt, wechselt nach Rücksprache mit der Jury auf einen anderen Stand. Am Ende gewinnt sie.

Beim Verfolgungsrennen der Herren meinerseits dasselbe Spiel. Schipulin gewinnt vor den Fourcade-Brüdern. Aber auf der Anzeigetafel wird Arnd Peiffer als Zweiter geführt. Hä? Irgendwas läuft hier falsch. Und die Siegerehrung läßt auch auf sich warten. Vermutlich ein Protest. Aber was ist passiert? Endlich die Aufklärung: Peiffer hat nur einmal nicht getroffen, da aber zwei Scheiben stehen geblieben sind, ist er eine Strafrunde zuviel gerannt. Dafür gibt es nun 20 sec Zeitgutschrift. Das ist bitter für Simon Fourcade, der nun Vierter ist. Aber gut für die Deutschen, die nach Neuners Faux Pas doch noch etwas zu feiern haben.

Und dann ist er vorbei, der Weltcup in Nove Mesto. Die Tschechen waren hervorragende Gastgeber, warmherzig, emsig und kritikfähig. So wurde der Zugang zum Festzelt geändert. Statt ganz außen rum zu rennen, ging es nun an den Wachskabinen vorbei auf kürzerem Weg.

Ich habe ne ganze Menge netter Menschen kennen gelernt.Und hatte viel Spaß.

Mike als Reiseveranstalter hat sich wunderbar darum gekümmert, dass alles reibungslos abläuft. Wäre es mir bei WM’s nicht grundsätzlich zu voll, würde ich hier im nächsten Jahr glatt noch mal herfahren. Aber es gibt ja noch andere Weltcuporte, an denen ich noch nicht war. Die werden es allerdings schwer haben, Nove Mesto zu toppen

IBU Cup

Altenberg, 14./15. Januar 2011

Draußen heult der Wind. Es klingt ungemütlich und kalt. Ich sitze in meinem Zimmer in der Pension und genieße die Wärme. Heute beim Sprint der Herren bin ich ordentlich durchgeweicht worden und saß noch lange bibbernd im Zelt bei Kaffee und Kesselgulasch. Vielleicht habe ich mich auch zu sehr aufs Frieren konzentriert.Denn als ich mich  mit eine Familie unterhielt, die ab und zu nach Oslo zum Biathlon fährt, wurde mir etwas wärmer. 
Langweilig war mir aber schon vorher nicht. In so einem Zelt gibt es immer viel zu sehen und als dann auch noch Herr Heymann reinkam, durfte ich feststellen, das mein Heymi-Chick-Gen noch voll aktiv ist. Das führt dann zu so einer Art Augenstarre.
Als Daniel kam, hatte ich grad Kesselgulasch auf dem Schoß, und da er wirklich nur kurz reingeschaut hat, habe ich ihn verpasst. Und durchs Zelt brüllen wollte ich nicht. Denn obwohl nur ca 27 Zuschauer da waren, war es voll. Kampfrichter, Offizielle, Athleten, und eben die 27 Zuschauer. 
Dass so wenig ins Hoffmannsloch gefunden haben, liegt wohl nicht nur am Wetter. Ungünstigerweise ist heute Freitag, also ein Arbeitstag. Und wer macht schon Urlaub wegen eines IBU Cups? 
Ich natürlich. 
Aber das Inchkind muss seine Urlaubstage für die nächste große Reise sparen. Deshalb bin ich allein hier. Ich konnte mich aber gestern im Zug schon einstimmen, da saß die Romy Beer nebenan.
Überhaupt ist dieses Jahr sehr schön, so viele „alte Bekannte“ zu sehen. Luggi Gredler ist als Trainer(?) bei den Mädchen aus Österreich und Raph Poiree bei den Norwegerinnen dabei. Für mich verbindet sich der Österreichische Biathlon auf ewig mit dem Namen Luggi Gredler. Er und später auch Wolfgang Rottmann waren, als noch kaum jemand vom Biathlon im Nachbarland sprach, DIE Athleten. Es gab da natürlich auch andere. Aber Luggi und Wolfi waren irgendwie die am meisten präsenten. So wie Simon Hallenbarter für die Eidgenossen, standen diese beiden für die Skijäger aus der Alpenrepublik. Mag sein, dass das ein subjektiver Eindruck ist, weil wir zu denen einfach den besten Kontakt und mit ihnen den meisten Spaß hatten. Egal, ob bei diversen Weltcups oder beim Bike-Biathlon in Altenberg. 
Und Raph steht natürlich für den Französischen Biathlon. Es ist merkwürdig, ihn hier so unbehelligt und nahezu unerkannt durchs Stadion stapfen zu sehen. Es gab Zeiten, da hätten ihn die Fans in Oberhof keine ruhige Minute gelassen. Wie es wohl sein mag, nach dieser Popularität, jedenfalls in Deutschland, plötzlich einer von vielen zu sein? Die Fans vergessen offensichtlich schnell. Das ist sicher auch etwas, womit ein so bekannter Sportler nach Beendigung seiner Karriere fertig werden muss. Wär interessant zu erfahren, wie das der Einzelne so wegsteckt. Hm, ich hätte da mal danach fragen sollen.

Und Frode Andresen ist bei den Herren gestartet. Auch Uruig Slettemark. Kann sich an den noch jemand erinnern?
Michi Rösch startet dafür nicht. Hat wohl vergessen, bei einem anderen Wettkampf an den Start zu gehen, erwartet deshalb jetzt ein Disziplinarverfahren und ist für Altenberg gesperrt. So jedenfalls erzählt man es sich. Seine Version ist freilich, dass er nicht wusste, dass er bei besagtem Rennen zu starten hat.
Hm.
Wahrscheinlich fehlen auch deswegen zwei bis drei Zuschauer, weil der kleene Ebs nicht startet.
Und dann natürlich das Wetter.
Als ich es heute Nacht plätschern hörte, dachte ich: Lieber Gott, lass das kein Tauwasser sein!“ An Regen habe ich gar nicht gedacht.
Bei eben diesem, und zwar einem richtigen, hab ich mich heute morgen also auf den Weg zur Biathlon-Arena gemacht. Allerdings hielt schon nach kurzer Zeit so ein Kleinbus, lud mich ein und spuckte mich direkt im Stadion wieder aus. Ehrlich, ich hätte gern Eintritt bezahlt. Dass ich deswegen aber einen halben Kilometer vor dem Stadion schon aus dem Bus und damit in den Regen hüpfe, nee, liebe Veranstalter. Ich entschuldige mich höflichst dafür und bitte mich bei der Zählung zu beachten: Wir waren 28 Zuschauer!

133 Starter bei den Herren. 
Wißt Ihr, wie lange man da im Regen stehen muss, auch wenn’s ein Sprint ist, bis das Rennen vorbei ist?Zwar war es an der Strecke im Wald vemutlich nicht ganz so windig wie am Schießstand, aber es hat gereicht.
So etwa ab Starter Nr 98 hat auch meine Kamera genug und geht in den Nässestreik. Ungefähr ab Starter Nr. 112 hab ich sie wieder fit gekriegt. Dann dauert es allerdings nur 50 Bilder oder so, da ist die Speicherkarte voll. Und Karte wechseln bei strömenden Regen und eiskalten Fingern, nee, was zuviel ist ist zuviel. Zwar habe ich mein erklärtes Ziel, jeden Starter zu fotografieren, nun nicht erreicht, aber mit 118 von 133 liege ich, glaube ich, ganz gut.
Ich flüchte ins Zelt, natürlich erst kurz bevor das Rennen zu Ende ist.

Und als ich nach knapp zwei Stunden wieder rauskomme, hat es aufgehört zu regnen! Und beim Sprint der Damen kommt sogar die Sonne raus, ab und zu jedenfalls. Die Speicherkarte hab ich auch gewechselt und bis auf eine fotografiere ich alle 84 Starterinnen. Ich liebe nun mal die Aussenseiter. Und wo trifft man mehr von denen als im IBU-Cup?

Samstag

Ich hab verschlafen und ein bissl Stress mit dem Frühstück und so. Ich meine, ich will ja nicht den Verfolger der Herren verpassen.
Bei windigem, aber trockenen Wetter mach ich mich schließlich auf den Weg.
Natürlich bin ich viel zu zeitig da. Immerhin bin ich nicht die Erste, soviel habe ich gelernt.
Ich schaue Daniel und den übrigen Herren beim Anschießen zu und trotte dann wieder zu „meinem“ Platz an der Strecke.
Mit nur etwas Verspätung zum Start der Herren setzt der Regen ein. Bei einem Verfolger (wie auch beim Massenstart) läßt es sich viel schwieriger fotografieren. Zwar sind nur 60 (respektive 30) Athleten auf der Strecke, aber die kommen in wildem Durcheinander und viel zu schnell hintereinander. Nuja, dafür sind die Bilder dann aktiongeladener. 
Daniel, gestern 14.ter, liegt nach dem 2. Schießen auf Platz 3. Leider schießt er stehend je eine Fahrkarte und fällt wieder auf Platz 8 zurück. Nach dem Rennen erzählt er mir, dass seine Laufform noch nicht stimmt. Hm ja, gestern beim Sprint hat er auf der letzten Runde auch noch verloren, soweit ich das aus meiner Streckenposition beurteilen kann. Da muss ich mir zu Hause noch mal die Ergebnisse bei der IBU anschauen. Daniel erzählt mir das auf dem Weg zum Parkplatz; oben bin ich warm. So ein Sprint hier rauf hilft besser als ne halbe Stunde  Zelt, wo ich vorher versucht habe, mich aufzuwärmen. Der Brite hat übrigens 0 geschossen. Bei dem Wind! Ich schaue Daniel ungläubig an. Sturm ist der Freund es schlechten Schützen. Ja, das kann nur das Glück des schlechten Schützen sein. Ich weiß gar nicht, ob ihm das von der Platzierung her was gebracht hat (er ist als 51.ter gestartet), hier in meiner Pension in Zinnwald bin ich echt von allen Infos ausgeschlossen. 
Bis zum Start der Damen versuche ich die Wärme mit Turnübungen, kurzens Aufenthalten im Zelt, und Tanzen zu halten.
Nützt nix. Zwar zeigt sich mal kurz die Sonne, mir ist trotzdem kalt.
Bei den Mädels legt Iris Waldhuber einen Start-Ziel-Sieg hin. Ui, ich bin gespannt, wie lange bzw kurz die Ösis brauchen, um im Weltcup auch bei den Mädels mitzumischen. Letztens hatten die ja schon eine Staffel. Es gab Zeiten, da war die einizge Österreicherin eine eingeheiratete Russin. Hatte auch was; genau wie die Schweizer konnten sich die Herren um Luggi und Wolfi auf ihre Chicks konzentrieren *grins*
1900 Zuschauer waren heute im Stadion, da war schon wesentlich mehr los als gestern. Und ich bin sogar in der Zählung mit drin. Weil heute habe ich ordnungsgemäß meine 7,00€ entrichtet. Und weil die Dame von der Sparkasse mir freundlicherweise einen Handwärmer geschenkt hat, verdient ihr Arbeitgeber auch, dass ich hier erwähne, dass das Biathlonstadion im Hofmannsloch natürlich und höchst offiziell „Sparkassen-Arenea“ heißt.

Die Heimfahrt am Sonntag Vormittag gestaltet sich ebenso aufregend wie seinerzeit in Oberhof. Der Bus, der mich von Zinnwald nach Dresden bringen soll, fährt am Wochenende nicht. Ich trampe nach Altenberg zum Bahnhof. Aber als ich in Heidenau von der Städtebahn in die S-Bahn wechseln will, hat letztere 10 min Verspätung. Für mich bedeutet das, dass ich den Zug nach Leipzig verpasse – Aber wenigstens bleibt genug Zeit, auf den ICE umzubuchen. Und das, obwohl man jetzt auch am Fahrkartenschalter in Dresden eine Nummer ziehen muss, auch wenn man der einzige Kunde im Reisezentrum ist.

Fotos gibt es auch:

Sprint der Herren

Sprint der Damen

Verfolgung Herren

Verfolgung Damen

Stierlauf, Diebstahl und ETA

August 2000

Gegen den Protest unserer Kinder nehmen wir am nächsten Morgen den Bus nach Pamplona. Die Stadt des Stierlaufes liegt auf der Route des Pilgerweges vom Cima-Pass und wir wollen die Möglichkeit, mit Hilfe unserer Pilgerpässe dort in einer der Herbergen unterzukommen, nutzen und die Stadt, bevor wir in San Sebastian unseren Badeurlaub antreten, besuchen. Der Freundin Sohn und Kleininch wollen dagegen lieber weiterwandern (dabei soll San Sebastian eine Belohnung für sie sein !!!) In Puente la Reina haben wir ihnen Jacobsmuscheln gekauft und nun fehlt ihnen zum vollständigen standesgemäßen Look nur noch der Stab. Nach dem rennen wir uns dann in Pamplona die Hacken ab.

Aber zunächst besuchen wir die Kirche San Saturnino, wo wir auf Quartier hoffen. Doch rein kirchliche Pilgerherbergen sind 14 Tage vor und nach Festen geschlossen. Zwar ist die Fiesta San Fermón ( 7.-14.Juli ) schon etwas länger als 2 Wochen vorbei, trotzdem werden wir in das Ausweichquartier am anderen Ende der Stadt geschickt. Dort stehen in einer Turnhalle 85 !!! Doppelstockbetten – ich hab sie gezählt – und am Abend werden soviel Leute hier sein, dass trotzdem noch genug auf dem Boden schlafen müssen. Die Menschen gehen hier seltsam fremd miteinander um. Bei so vielen Leuten kommt niemand auf die Idee, jeden Pilger, den er trifft, nach dem Woher und Wohin zu fragen. In dem Massenquartier ist nichts zu spüren von dieser besonderen Athmosphäre, die uns auf unserem Weg nach Puente La Reina geradezu verzaubert hat und meine deutsche Bettnachbarin ist richtiggehend genervt von meinen pentranten Fragen nach ihrer Pilgerreise !

Aber die Stadt ist schön. Wir lassen uns viel Zeit beim Bummel durch die wunderschöne Altstadt, kaufen den Kids noch die obligatorischen Pilgerstäbe, besuchen die Plaza de Toros und amüsieren uns in der Calle Estafeta über die Fotos des letzten Stierlaufes.

Am Abend besuchen wir die Messe in der Kirche San Saturnino.

Die Nacht ist die Hölle;  wie sind wir froh , dass wir über den Somport-Pass gewandert sind.

Am nächsten Tag bummeln wir noch um die Zitadelle herum, die Kinder zelebrieren ihr geliebtes Samenkorn  und wir geben uns viel Mühe, Heldenfotos  zu machen, bevor es nach SanSebastian geht.

Als wir dort am Nachmittag aus dem Bus steigen, trifft uns ein Schild wie ein Schlag ins Genick:

„Touristen! Denkt daran, Ihr seid nicht in Spanien, Ihr seid im Baskenland.“

Doch als wir uns etwas ernüchtert auf den Weg zur Touristeninformation machen, hält uns eine aufgeregte junge Spanierin an, die uns unbedingt beherbergen will. Es kostet uns einige Mühe, ihr mit unserem in den letzten zwei Wochen aufgeschnappten Spanisch klarzumachen, dass  wir nicht mehr pilgern, sondern auf dem Rückweg sind…sie ist sichtlich entäuscht.

Der Zeltplatz liegt etwas außerhalb der Stadt und ist offensichtlich fest in der Hand der Italiener.

In der Erinnerung weckt San Sebastian in mir sehr widersprüchliche Gefühle. Die Stadt hat mit Sicherheit den schönsten Sandstrand, den ich jeh gesehen habe. Aber die ersten zwei Tage haben wir alle vier Mühe, uns auf das Urlauberparadies einzustellen. Lieber wären wir jetzt alle wieder in der Stille Navarras und Aragons. Und dann ist da die politische Lage. Jeden Tag stoßen wir auf Demonstranten und als wir dann schließlich auf eine von Polizei und Militär abgesperrte Kreuzung kommen, vergeht uns die Urlaubsstimmung entgültig (Wie wir zu Hause erfahren werden, wurde hier gerade der baskische Vizepolizeipräsident ermordet).

Und dann wird mir am Strand auch noch der Rucksack geklaut !! Ich stehe da wie in diesem dämlichen Werbespot…in Badesachen !

SEHR WITZIG

Doch auf der Polizeiwache ist man sehr gelassen und tatsächlich, am nächsten Tag ist alles wieder da, bis natürlich auf die Pässe, die Schecks und das Geld, und was im Nachhinein am meisten schmerzt : der Fotoapperat und drei belichtete Filme !

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich mit der Inchfreundin unterwegs bin, denn wenn ich in dieser Situation tatsächlich auf das Deutsche Konsulat angewiesen gewesen wäre…Na Gute Nacht Marie…ich kann nur sagen:

DA WIRD SIE GEHOLFEN !!!

Aber gut, das mit dem Diebstahl hätte mir überall passieren können, das ist nicht der Grund , weswegen ich sicher nie wieder in diese Stadt fahren werde. Was mich wirklich abschreckt, ist die Intoleranz und Engstirnigkeit der baskischen Nationalisten !!!

Das geht soweit, dass, als wir den Zug Richtung französische Grenze besteigen wollen, unsere internationalen Tickets nicht anerkannt werden und wir uns neue kaufen müssen!!! Auf den einzelnen Stationsschildern stehen nur die baskischen Namen und wir verpassen fast, an der französischen Grenze auszusteigen, durch ein Tor zu laufen und in Frankreich wieder in den Zug zu steigen!!!

Als die Freundin dann in Dax am Geldautomaten nur zwischen den Sprachen Französisch und Baskisch wählen kann, ist unser letztes „Naja, es wird schon Gründe für dieses Verhalten geben; wer weiß, was die für eine Geschichte haben “ endgültig vorbei.

Die Baskischen Nationalisten haben unsere Toleranzgrenze überschritten!! (es ist übrigens bezeichnend, dass wir diese Auswüchse nur in den Städten und stadtnahen Gebieten vorgefunden haben, die Bergbauern haben offensichtlich andere Sorgen) .

In Dax trennen sich unsere Wege und nachdem wir Sohn und Freundin zugewinkt haben, müssen wir noch einige Stunden auf unseren Nachtzug warten.

In Paris gehen wir gleich nach unserer Ankunft zur Notre Dame, also bevor der Touristenansturm beginnt (sehr zu empfehlen) und ziehen uns dann auf die Ile St.Louis zurück. Nachts geht es dann weiter gen Heimat, die uns am Morgen des 13.August 2000 gut ausgeruht in ihrem Schoß aufnimmt

Wo sich alle Wege vereinen

Auf dem Weg nach Tiebas verläßt uns der Wettergott. Immer wieder regnet es und manchmal ist es so stürmisch, dass wir kaum vorwärts kommen. Und es ist kalt.

Als wir in einem Dorf nach einem Restaurant suchen, treffen wir keine Menschenseele, dafür werden wir von einer Meute Hunde angegriffen. Ein alles in allem unfreundlicher Tag. Über Feldwege geht es in das ehemalige Königsdorf. Dort fragen wir in der Bar nach dem Schlüssel für die Dorfschule, die während der Sommerferien als Pilgerherberge dient, und wo sich in einem schmutzigen Klassenzimmer eklige Matratzen stapeln. Gerade als wir beim Saubermachen sind, taucht S. aus Erfurt auf, das gibt natürlich ein riesiges Hallo.

Auf den saubersten Matratzen breiten wir Isomatten und Schlafsäcke aus, dann machen wir uns auf den Weg ins Schwimmbad, wo, laut einem Zettel auf der Schultoilette, Pilger kostenlos Zutritt haben. Leider ist es ausgerechnet heute viel zu kalt für ein Bad im Freien, aber wir duschen ausgiebig, bevor wir uns im dazugehörigen Restaurant über Torro (Stier) hermachen. Lecker !!!

Es regnet die ganze Nacht, so dass uns am nächsten Tag eine „Schlammschlacht“ erwartet. Nach Puente la Reina gibt es zwei Wegvarianten, doch im Gegensatz zu S., die die Route über Biurrún und Ucar wählt, „erschließen“ wir uns wegen des immer noch anhaltenden Regens und des zu erwartenden Schlammes eine ganz eigene Route. Vom nahegelegenen Campanas aus wählen wir die Landstraße Richtung Muruate de Reta, wo der Wanderweg die Straße kreuzt.

Es wird eine ungemütliche Wanderung, nicht nur wegen der Kälte und Nässe; das Verkehrsaufkommen ist auch unerwartet hoch! Und wie immer, wenn wir uns am Rand von Straßen bewegen, grüßt uns jeder zweite Fahrer laut hupend. Jacobspilger finden in Spanien große Beachtung. Jeder kennt jemanden, der schon auf ihm gepilgert ist oder hat den langen Fußmarsch sogar selber unternommen.

Das, was auf unserer kleinen Karte im Wanderführer dort, wo wir auf die gelbe Markierung zu stoßen hoffen, aussieht, wie eine parallel neben der Autobahn verlaufende Landstraße, entpuppt sich dann auch noch als Verkehrsknotenpunkt aller erster Güte. Autobahnabfahrt, Straßenkreuzung, Brücken, Tunnel… die ganze Klaviatur unserer gesegneten mobilen Zivilisation… natürlich beängstigend viel Verkehr, und keine gelbe Markierung!!!

Zuerst sucht die Freundin, dann ich. Als ich irgendeiner Ab-oder Auffahrt durch einen Tunnel folge, fährt ein LKW laut hupend an mir vorbei. Blöder Heini!  Ich suche weiter, als der LKW wieder kommt!, (der Fahrer muss einmal um dieses ganze Verkehrskreuz gefahren sein !), langsam an mir vorbeifährt und der Fahrer aus dem Fenster heraus wild gestikulierend zu einem Brückenpfeiler zeigt. Alles, was ich verstehe, ist „El Camino“.

Ich steuere auf besagten Pfeiler zu und wirklich: ihn ziert der gelbe Pfeil, die Markierung des Jacobswegs. Aufgeregt hole ich den Rest der Mannschaft und kurz bevor wir im Wald verschwinden, fährt der LKW wieder an uns vorbei, inklusive laut schreiendem Fahrer. Wir winken ihm dankend zu.

Zunächst durch Wald, dann über Felder und bei immer besser werdendem Wetter geht es nun Richtung Eunate. Dort treffen sich die zwei von Frankreich kommenden Pilgerrouten und es gibt nur noch einen Hauptweg nach Santiago. Wir werden das Ziel unserer Wanderung heute in Puente la Reina erreicht haben und befinden uns in euphorischer Stimmung. Die Freundin überredet mich schließlich, ihr und den Kindern ein passendes religiöses Lied beizubringen, wenigstens eine Strophe. Uns an den Händen haltend erreichen wir „Komm Herr, segne uns“ singend die Vereinigungskirche in Eunate. (Hardliner hätten ihre Freude an uns gehabt).

Für mich handelt es sich ganz klar um eine Templerkirche, die mir in ihrem Versuch, schon in der Architektur die großen Weltreligionen zu vereinen, am sympatischsten von allen sind. Und ich, die ich zwischen Katholizismus, Protestantismus und Kommunismus aufgewachsen bin, fühle mich dem Orden in seinem Bestreben, die Gemeinsamkeiten herauszustellen, statt auf die Grenzen hinzuweisen, mehr als nah.

Begeistert erkläre ich Freundin und den Kindern die Besonderheiten, sowohl des Gebäudes, als auch des Ordens. Laut Wanderführern sind Ursprung und Funktion der Kirche dagegen unklar. Auf Grund der vielen Gräber mit Muschelbeigaben vermutet man, dass es sich um die Totenkirche eines Pilgerfriedhofes handelt. Als Stifter kämen neben den Templern auch die Johanniter in Frage.

Eunate könnte baskisch sein und Platz „der hundert Tore“ heißen.

Bei Obanos treffen wir auf die historische Weggabelung,wo sich die die Pilgerwege vom Cisa-Pass und vom Somport-Pass vereinen. Dann stehen wir vor der Statue des Jacobspilgers  in Puente la Reina.

Im Kloster werden wir schon erwartet. Nicht nur, dass uns, durch andere Pilger, die wesentlich schneller als wir unterwegs sind, unser Ruf vorauseilt ( „die zwei Mütter mit den kleinen Kindern“ ), S. aus Erfurt hat uns nicht nur im Refugium eine Nachricht hinterlassen, sie lässt uns auch durch jeden deutschen Pilger ausrichten, dass das Kloster voll ist und sie uns in einer Massenunterkunft am Ende des Ortes erwartet.

Doch auch die ist schon belegt und wir finden Quartier im Hotel „Jakue“, wo man die Keller mit Doppelstockbetten vollgestopft hat. Dort treffen wir ein paar unangenehme Landsleute mittleren Alters, die mit dem Rad unterwegs sind, und sich über die „Schlampigkeit“ usw. der Spanier aufregen. Wir entfliehen ihrer Penetranz, sowie der Enge und dem Gestank (eine Mischung aus Schweißfüßen und Wundsalben) der fensterlosen Räume und treffen uns mit S.  in der Stadt.

Die Brücke über den Arga ließ eine navarrische Königin (die Frau Sancho Mayors ?) im 11.Jrh. extra für die Pilger bauen, um ihnen die mit großen Umwegen verbundenen, gefährlichen Furten oder teuren Bootsüberfahrten zu ersparen. Als die neue Brücke die Pilgerströme hierher lenkte, entstand eine Stadt, in der sich vor allem viele Franken ansiedelten.

Natürlich gibt es auch eine der den Jacobsweg säumenden reichen Kirchen und als wir den Kindern Jacobsmuscheln gekauft und die Brücke  von allen Seiten fotografiert haben, geben wir dem Druck der Kinder nach und besuchen die Messe. Es ist egal, ob Du in Czestochowa, in Sachsen oder in Spanien eine katholische Messe besuchst, die Rituale sind die Gleichen. S., die Frauenseelsorgerin aus Erfurt, kann teilweise sogar mitsingen. Allerdings läuft alles etwas schneller, etwas gestraffter ab, als gewohnt… dieser Pragmatismus verblüfft mich schon, und dass ich mich wohl fühle. Alles erscheint mir auf eine gewisse Art gelassen, fast heiter.

Von S. und dem Jacobsweg Abschied feiernd, beschließen wir den Abend mit einem üppigen Menü und der obligatorischen Flasche Wein.

José Antonio und das verschwundene Kind

Noch im Dunkeln machen sich am nächsten Morgen die Ersten zum Aufbruch fertig. Das ist vernünftig, es wird wieder ein heißer Tag werden. 25 km sind es bis Monreal. Wir werden nicht die gesamte Strecke zu Fuß zurücklegen. Aus der Stadt heraus nehmen wir den Bus, gemeinsam mit einem Pilger aus Venezuela, der mit seinem entzündeten Knie kaum noch in der Lage ist, weiter zu laufen.

Auf halber Strecke verlassen wir ihn und setzen unsere Wanderung fort. Das ständige bergauf und bergab der letzten Tage hat nun ein Ende. Das Land liegt scheinbar flach vor uns. Aber wir bewegen uns auf einer Höhe zwischen 400 und 700 m, das heißt, die Flüsse schneiden tiefe Rinnen, die es zu durchqueren gilt, ins Land. Manchmal wird das zur echten Kletterei.

In Sangüesa haben wir uns alle Strohhüte gekauft, in dieser Jahreszeit ist das hier die sinnvollste Kopfbedeckung.

Wir begegnen niemandem. Durch die Busfahrt haben wir einen respektablen Vorsprung. Durch die Dörfer Izco und Abinzano geht es auf breiten, staubigen Feldwegen durch eine baumlose Landschaft. In Salinas de Ibargoiti stehen wir zum ersten Mal vor einer Frontonwand (hohe rechtwinklig angeordnete Wände für das baskische Pelotaspiel). Am Ufer des Baches Elors entlang geht es nun durch ein schattenspendendes Wäldchen nach Monreal. Auf der uralten Bogenbrücke des Ortes streichelt die Freundin die Steine und erschaudert vor Ehrfurcht: „Hier sind vor uns schon tausende Pilger drüber gelaufen,vor einigen hundert Jahren schon“

Im Gemeindehaus, das im Sommer als Herberge dient, treffen wir unseren alten Bekannten aus Venezuela wieder. Es steht schlecht um ihn. Die Freundin behandelt sein Knie so gut es eben geht.

Er wirkt traurig. 600 km vor Compostella hat es den Anschein, als würde er sein großes Ziel nicht erreichen, jedenfalls nicht zu Fuß.

Ich frage mich, was ihn treibt, ihn und die vielen anderen, die Tagesmärsche von mehr als 50 km auf sich nehmen und ihre Gesundheit riskieren, die keinen Blick für die Landschaft und die Menschen um sich haben, sondern nur dieses eine Ziel vor Augen, am Grab des Heiligen Jacobus zu stehen. Sollte nicht der Weg das Ziel sein?

Um die Gaststätte zu finden, wo wir unser Menü bekommen, müssen wir den ganzen Ort durchqueren, der eigentlich nicht groß, aber langgestreckt ist. Unterwegs suchen wir einen Bäcker. Mit unseren Spanischkenntnissen!!! Immer wieder landen wir, nach den Beschreibungen der Einwohner, vor einem Wohnhaus. Es ist zum Verzweifeln. Doch dann steigen wir hinter die Geschichte. Da es im Dorf keinen Laden gibt, verkauft eine Frau in ihrer Diele Brot. Normalerweise. Von uns will sie keinen Pfennig.

Nach dem Menü (und der Flasche Wein) ist uns sehr nach Schlafen zumute, am Elors gibt es einen Spielplatz für die Kids, und genügend schattenspendende Bäume für zwei sehr müde Mütter*ggg*

Zwischenzeitlich füllt sich die Herberge und als wir ausgeruht dort ankommen, fordert uns eine Frau auf zu warten, bis der Pfarrer kommt. Der kriegt sich gar nicht wieder ein. Vor allem Kleininch hat es ihm angetan. Er kann nicht fassen, dass wir zu Fuß unterwegs sind und will ALLES wissen. Kleininch soll wiederkommen, wenn sie erwachsen ist. Als er einkaufen fährt, bringt er uns Milch mit und dann fährt er die Kinder noch eine Runde im Auto spazieren. Die Einladung zur Messe lehnen wir dankend ab.

Als er seine Arbeit in der Kirche getan hat, gesellt er sich wieder zu uns. Wir „diskutieren“sogar über Paolo Coelho, und das, obwohl José Antonio  ausschließlich Spanisch spricht. Endlich kommt uns ein Pilger aus Tübingen zu Hilfe, der Student (und Rilke-Liebhaber) fungiert fortan als Dolmetscher. Zur Belohnung lese ich auch ihm die obligatorische Gute-Nacht-Geschichte vor, die dieses mal von einem Edelmann und Helden handelt, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, die Pilger vor Räubern und anderen Unholden zu schützen.

Im Gemeindehaus stehen zwei Reihen Doppelstockbetten für die müden Geister: Kleininch (sie fällt aus JEDEM Bett; in Canfranc hatte sie wider besseren Wissens oben schlafen wollen und war prompt rausgefallen) und ich schlafen unten, die Freundin und der Sohn über uns.

Als ich nachts wach werde, kriecht der Sohn auf dem Fußboden rum. Wie sich herausstellt, sucht er seinen Schlafsack, der ihm nächtens irgendwie entglitten sein muss und nun nicht mehr aufzufinden ist. Ich meine, er müsste doch irgendwo sein und fordere ihn auf doch noch mal um die Betten herum zu gehen, irgendwo wird das Ding schon liegen. Darauf antwortet er: ABER KLEININCH IST AUCH NICHT DA. Ich bin sofort wach. Sohn meint, er sei schon MINDESTENS drei mal um die Betten rum, von seinem Schlafsack und dem kleinen Inch (inclusive ihrem Schlafsack ) keine Spur. Nachdem ich mich im Nachbarbett vergewissert habe, dass mein Kind samt Kuscheltieren und Decke tatsächlich weg ist, mache auch ich mich auf die Suche. Wir finden sie schließlich UNTER meinem Bett friedlich SCHLAFEND. (immerhin, in Canfranc ist sie auf die Fliesen geknallt und hat weiter geschlafen!!!) Ich hieve sie zurück, Sohn krabbelt mit zu seiner Mutter… und dann ist es schon Morgen und Zeit zum Aufstehen. Wir finden Sohns Schlafsack am anderen Ende des Raumes (also sieben Betten weiter!!!!) und machen uns startklar.

José Antonio lässt es sich nicht nehmen uns zu verabschieden und alles Gute zu wünschen.

(Kleininch war als Jugendliche mit einer Freundin auf dem Weg zu José Antonio, wurde aber von ihrem Blinddarm ausgebremst)

Begegnungen

Während unsere neue Bekannte am Stausee und dem Aragon entlang nach Sangüesa wandert und dabei das Kloster San Salvador de Leyre besuchen will, wählen wir die Variante über Undúes de Lerda.

Vorbei an der Santiago-Quelle, die schon vor Hunderten von Jahren von den vorbeiziehenden Pilgern geschätzt wurde, geht es zunächst über einen steilen Trampelpfad hinauf zur Einsiedelkirche Santiago, die früher ein Kloster mit Pilgerherberge war. Auf einem breiten Forstweg geht es schließlich zum höchsten Punkt eines kleinen Bergkammes.

Der Weg ist schlecht markiert, viele Forstwege, wir haben etwas Mühe, den rechten Weg zu finden. Oben endet der Wald abrupt und wir haben einen weiten Ausblick auf meist brachliegende Felder. Wir machen eine längere Rast und beobachten die Murmeltiere, als sich drei Pilger zu uns gesellen.

Bei den  Franzosen scheint es sich um einen Vater und seine erwachsenen Söhne zu handeln, doch wir erfahren von der kleinen aus Mulhouse stammenden Gesellschaft, dass sie keinesfalls miteinander verwandt sind. Sie legen Tagesstrecken von ca 30 km zurück und wollen sich überraschen lassen, wie weit sie auf die Art und Weise auf dem Camino kommen. Ohne Hast ziehen sie weiter.

Durch Felder geht es nun abwärts und wir können das einsam gelegen Dorf Undúes schon von weitem erkennen. Am Arroya de Molinar haben wir den tiefsten Punkt erreicht und es geht nun aufwärts (auf einem Weg,der teilweise noch aus der Römerzeit stammen soll) zum Dorf. Den gelben Pfeilen folgend wollen wir den Ort an seinem nördlichen Rand umgehen, als uns ein paar alte Frauen aufgeregt winken. Wir folgen ihren Aufforderungen und werden zur Kirche geschickt. Dort treffen wir unsrer „Freunde“ aus Frankreich wieder. Die füllen ihre Wasserflaschen am Brunnen und brechen nach einer kurzen Rast nach Sangüesa auf.

Wir bitten den Wirt der Bar um den Schlüssel zur Herberge, die ein alter Palast ist. Das Menü nehmen wir mit einem spanischen Pilger ein, der allein unterwegs ist.

Alle ziehen weiter.

Wir bleiben.

Es ist Mittag und bereits heiß wie in einem Backofen.

Im Dorf habe ich eine seltsame Begegnung. Auf dem Platz vor der Kirche, die offensichtlich restauriert wird, steht das Gestühl, der Beichtstuhl, Kreuz… alles, was so eigentlich in die Kirche gehört. Ich laufe dazwischen rum. Es hat überhaupt keine Macht über mich, es ist nur Mobiliar. Ich bleib lange auf einer der Bänke sitzen. Alles ist friedlich.

Am nächsten Tag passieren wir ca. 5 km hinter Undúes die Grenze von Aragon nach Navarra,worauf uns ein Grenzstein hinweist.

Auf breiten Traktorpisten und Feldwegen geht es durch das ausgedörrte Land relativ gemütlich auf unser nächstes Tagesziel zu. Wegen der unglaublichen Hitze verzichten wir auf einen Abstecher zur Trutzburg von Javier, der Geburtsstätte des baskischen Jesuiten und China-Missonars Francisco de Javier (Franz Xaver) und besuchen nur die Emerita del Socorro. Durch nicht enden wollende Vorgärten erreichen wir schließlich den alten Stadtkern von Sangüesa.

Als wir an der Stierkampfarena stehen, nimmt uns eine alte Frau in Beschlag. Sie besteht darauf, uns zum Nonnenstift zu führen, wo Pilger gegen eine kleine Spende in der klostereigenen Herberge übernachten können. Als wir bei den Nonnen klingeln, entsteht sofort betriebsame Geschäftigkeit. Es herrscht eine Riesen Aufregung. Alle Nonnen müssen uns sehen, den Kindern mindestens einmal den Kopf streicheln, schließlich werden wir noch dem Pfarrer vorgeführt. Es ist witzig, auch Nonnen sind in der Mehrzahl nicht anders als alle anderen Frauen: ein aufgeregt gackernder Hühnerhaufen.*ggg*

In die kleine Herberge kommen im Laufe des Tages soviel Pilger, dass die letzten auf dem Fußboden schlafen müssen. Wir treffen S. aus Erfurt wieder und da sind auch zwei Frauen, die an diesem Tag mehr als 50 km zurückgelegt haben!!! Einige der Männer sehen auch nicht grad beneidenswert aus. Überall riecht es nach Wundsalben und Hepatromp. Nachdem alle (außer uns) bei der Messe waren, bereiten wir gemeinsam das Abendbrot. Auf einer Ansichtskarte schicken wir einen Gruß nach Holland an zwei Pilger, die im vorigen Jahr hier waren und im Gästebuch ihre Adresse hinterlassen haben.

Leider sind viele Fotos, wie später zu berichten sein wird, so auch die von Sangüesa, verloren gegangen.